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Immer schön lächeln und winken….

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„Immer schön lächeln und winken“. Dieser Satz stammt aus dem computeranimierten Trickfilm „Madagascar“ und spiegelt meiner Ansicht nach unsere Gesellschaft sehr gut wieder. Jede Emotion, jeder Gefühlsausdruck wird als dermaßen störend empfunden, so dass schon seit Generationen Menschen heranwachsen, die ihr Leben lang nicht authentisch sein dürfen. Ich hatte das schon in meinem Artikel „Von den unsichtbaren zu den sichtbaren Masken“ thematisiert, dass wir von klein auf Masken tragen. Wir schauen uns über Filme die Emotionen und Gefühle der Schauspieler an, die sie spielen und die man uns nicht leben lässt. Gefühle und Emotionen zu zeigen, geht nur während einem Film – nur dann wird es akzeptiert (oder wenn wir schwanger sind – das sind ja dann die Hormone) Ansonsten nur ja keine Gefühle zeigen. Man erklärt uns, dass wir „immer schön lächeln und winken“ sollen. Diese Lebenslüge, kann aber nicht immer aufrechterhalten werden, besonders dann nicht, wenn man emotional unter Stress steht, denn dann reagiert man meist über und die sonst als lieb und nett geltenden Menschen, zeigen ihre andere Seite. In jedem von uns steckt der böse und der gute Mensch. Wenn wir unsere Emotionen und Gefühle, nicht dann zum Ausdruck bringen dürfen, wenn wir sie fühlen, dann brechen sie irgendwann hervor – mal als hysterisches oder aufgesetztes, unechtes lachen, mal als Aggression gegen sich selbst oder gegen andere, Jeder Mensch verarbeitet Unterdrückungen anders und lebt sie auch anders aus. Der berühmte Amokläufer, der ja immer so nett und liebenswürdig war, rastet irgendwann aus und tötet seine Mitmenschen, weil er nicht mehr anders kann. Er reagiert einfach über. Das Fass ist irgendwann voll.

In dem Film „Madagascar“ leben Tiere die Gefühlswelt der Menschen aus: der eine bildet sich ständig ein krank zu sein, der andere ist traurig, usw. und die Pinguine wollen keine Gefühle zeigen und scheinen damit besonders gut durchs Leben zu kommen. Meist machen wir es so wie die Pinguine. Wir lassen uns nichts anmerken, weil wir dann evtl. eine Schwäche zugeben müssten. So sind die meisten Menschen in unserer Gesellschaft nicht „echt“, nicht authentisch, sie machen gute Mine zum bösen Spiel. Sie beschweren sich zwar hinter verschlossenen Türen, sind unzufrieden, aber nach außen „immer schön lächeln und winken“. Die Überreaktionen die dadurch entstehen, sind zwar authentisch aber eben völlig daneben. Würden die Menschen nun, immer das passende Gesicht zum passenden Gefühl machen, würde man Ärger, Wut, Trauer, Freude usw. dann ausdrücken, wenn sie da ist und nicht unterdrücken, dann würden wir authentische Menschen sehen, die keine „Maske“ aufhaben. Besonders Frauen haben leider fast immer Masken auf und nicht nur die seit neustem Sichtbaren, sondern schon meist seit sie in die Pubertät kommen und hier in Form von Make up. Es gibt eine Ausnahme und zwar tritt bei vielen Frauen während ihrer monatlichen Menstruation ein Verhalten auf, das viele als PMS werten, wobei es nichts anderes ist, als das, was sonst immer unterdrückt wurde, zum Vorschein kommt. Während der Zyklusphase, tritt nicht nur Blut aus, sondern diese Zeit dient der seelischen und körperlichen Reinigung der Frau. Frauen die sonst immer ihre Gefühle und Emotionen unterdrücken, können es während ihrer Menstruation nicht mehr. Leider ist ihnen ihr Verhalten dann selbst so fremd, dass sie unzufrieden und launisch sind und sie zusätzlich meist noch körperliche Schmerzen haben, Wenn sie wüssten, dass es ihre unterdrückten Gefühle und Emotionen sind, die sie in dieser Gesellschaft nicht leben dürfen und die nun alle auf einmal und das einmal im Monat rausmüssen, dann könnten sie viel verständnisvoller damit umgehen und auf ihren Körper und ihre Seele hören und nicht mehr über reagieren. Sie könnten sich zurückziehen und anschauen, was denn da heraus muss und sie könnten erkennen, dass sie sich und anderen ihr Leben lang etwas vormachen und das ändern. Sie könnten ihre Masken herunternehmen und endlich authentisch sein. Da die meisten Frauen, das aber auch zu dieser Zeit nicht tun, reagieren sie über und zwar besonders dann, wenn besonders belastente Situationen eintreten und/oder werden süchtig. Leider leben Frauen heute in diesem vom männlichen Prinzip dominierten System auch wie Männer und haben das Bewusstsein für den seelischen und körperlichen Reinigungsprozess verloren. Männer haben diesen monatlichen Reinigungsmechanismus nicht und müssen sich körperlich fordern, sonst werden sie gewalttätig und/oder süchtig, wenn sie ihre unterdrückten Gefühle und Emotionen nicht in körperlicher Arbeit/Sport abbauen können.

Das Unterdrücken der Gefühle, wird besonders in unserer Kultur sehr stark vorgelebt. In den meisten Familien heute, werden die Kinder im „Laissez-fair“ Stil erzogen, bzw. das ist keine Erziehung, sondern ein „machen lassen“. Die meisten Eltern (Menschen) in unserer Gesellschaft gehen Konfrontationen und Auseinandersetzungen aus dem Weg. Die Familien und auch schon Paare sind süchtig nach einer aufgesetzten Harmonie. Früher gab es den autoritären Erziehungsstil, was dann in den 1960 er Jahren zu einer antiautoritären Erziehung wurde, wobei man hier meist antiautoritär mit laissez-fair verwechselte und den Kindern keine Grenzen setzte und sich auch nicht mit ihnen auseinandersetzte, was aber Alexander Neil nicht mit der antiautoritären Erziehung meinte. So leben Eltern ihren Kindern meist nur eine harmonische Beziehung vor, bis es irgendwann an einen Punkt kommen, an dem einer oder beide über reagieren (meist ist das einmal im Monat die Frau), denn wer immer nur unterdrückt, und „lächelt und winkt“ der wird krank. Der Körper hat aber einen Selbsterhaltungsmechanismus und versucht erst über Verhaltensmuster die krankmachenden Aggressionen loszuwerden. Dann geschieht das, wie oben schon beschrieben, ein Mann prügelt los, Frauen kreischen und werfen mit Gegenständen usw. Unsere Kinder lernen also, dass man lieber immer schön „lächelt und winkt“ und lieber seine Gefühle nicht zeigt, da sie immer nur die Überreaktionen der Eltern sehen. Würden die Eltern immer ehrlich sein und ihre Gefühle und Emotionen mitteilen und würden sich gegenseitig konfrontieren und miteinander auseinandersetzen, indem sie Gespräche führen würden, dann gäbe es kein Anstauen der Emotionen und Gefühle und so auch keine Überreaktion. Die Unterdrückung der Gefühle und Emotionen, nehmen Familienmitglieder häufig erst dann wahr, wenn ein Mensch von außen dazu kommt und den „Dreck“ den man jahrelang unter den Teppich gekehrt hat aufdeckt, oder der ehrlich sagt, wie die Familienmitglieder auf ihn wirken. Wenn authentische Menschen in Familien kommen und äußern, was sie wahrnehmen, wird dieser sofort als Störer der angeblichen Harmonie bezeichnet, denn vorher in der Illusion war es doch viel schöner. Aber wäre diese „Störenfried“ nicht gekommen, hätten andere Schicksalsschläge diese Familie aus ihrer gespielten Harmonie erweckt. Sogar, wenn vorher schon ein Schicksalsschlag die Familie erschüttert hat (wie Trennung) und dann kommt jemand und benennt, was da faul in der Familie läuft, sogar dann ist man der Störenfried. Ehrlichkeit ist in unserer Gesellschaft nicht erwünscht und schon gar nicht, wenn man die heißgeliebten Illusionsblasen an piekt. Die meisten Menschen in unserer Gesellschaft, sind oft völlig erschöpft vom vielen „so tun als ob“, dass sie „ausgebrannt“ sind. Ausgebrannt sein (neudeutsch; burn out) ist man nicht durch die angeblich viele Arbeit im Beruf, sondern man ist ausgebrannt und erschöpft, weil man zum einen den „Deckel“ (die Sucht/Süchte) auf den Unterdrückungen halten muss und zum anderen immer „so tut als ob“ alles in Ordnung wäre. Es kostet viel Energie sich selbst und anderen etwas vorzumachen und wundert sich, dass man so erschöpft und immer müde ist.

Ich beobachte mit Schrecken, dass unsere Gesellschaft fast ausschließlich aus „Scheinheiligen“ besteht, aus Menschen die sich und anderen permanent etwas vormachen. In Beziehungen hält man seinen Mund, da man den anderen nicht verlieren will, wenn man sich mit ihm auseinandersetzen muss, man lässt sich von seinen Kinder „auf der Nase herumtanzen“, weil die nämlich durch den „Laissez-fair“ Stil so dominant geworden sind, dass sie ihre Eltern beherrschen. Des lieben „Friedens“ Willen lebt man die „immer schön lächeln und winken“ Methode. So zieht man Narzissten und Egoisten heran, die glauben sie haben die Macht. Diese Menschen sind nicht sozialisiert, sie sind a-sozial und manipulieren ihre Umgebung, wie sie es brauchen. Das tun sie als Jugendliche deshalb, weil sie dringend einen Erwachsenen brauchen, der sich mit ihnen auseinandersetzt, der sie konfrontiert. Tut man das in dem Alter nicht und „lässt sie machen“ bleiben sie Narzissten und Egoisten, sind a-sozial und werden am Ende entweder kriminell, machbesessen und größenwahnsinnig (was wir an unseren Politikern sehen können). Der „Laissez-fair“ Stil setzt sich nämlich in unseren Politikern weiter fort. So wählen wir alle vier Jahre und dann „lassen wir sie machen“. Wir regen uns zwar hintenherum auf, aber wir tun selten etwas, meist erst dann wenn uns der Kragen platzt, wir also über reagieren.

Schon oft habe ich es thematisiert, dass wir bei uns in unseren Familien, das heilen müssen, was wir im außen beobachten. Wir wollen es nicht wahrhaben, dass es bei uns selbst so aussieht und glauben, wenn wir auf Demos gehen könnten wir etwas ändern. Wenn aber jeder in seiner Familie schaut und ehrlich und authentisch zu seinen Mitmenschen ist, dann haben wir genug damit zu tun in unserem Umfeld aufzuräumen. Wir sollten endlich damit aufhören uns selbst zu belügen und aufzuhören mit der immer „schön lächeln und winken“ Methode. Es gibt zwei Seiten in jedem Menschen. Wir sind nicht nur die Guten und Lieben sondern in jedem von uns steckt auch ein Böser und Ängstlicher. Die meisten Menschen spielen uns etwas vor. Die lieben süßen Mädchen, sind auch hässliche und böse Biester und die lieben Jungs sind brutal und nicht fähig zu lieben (wobei das fast eh keiner wirklich kann). Wenn wir anfangen uns dies klar zu machen und uns, unseren Kindern und unseren Partnern nichts mehr vorspielen, sondern ehrlich und authentisch sind und das jeden Tag, dann würde sich auch im Kollektiv etwas verändern.

©Jutta Velten