Dies ist die Geschichte von der alten weisen Mutter, Großmutter, Tante, Schwester…..
….und so erzählte uns die alte Weise, über die Mutter Erde.
Wir saßen in der Kälte um das Feuer und lauschten ihren Worten.
Immer wenn sie vom Wind erzählte, hörten wir ihn in den Baumwipfeln über uns brausen, als würde er uns damit sagen wollen, „Ja hört, wir sind da“. Wenn sie über den Herzschlag tief in unserer Erdenmutter erzählte, hörten wir ihn ganz deutlich in unseren Ohren, ja wir fühlten sogar seine Energie unter unseren Füßen.
Wenn sie uns etwas von den Blumen im Frühling vorlas, dann stieg in unsere Nasen der sanfte Honigduft, die die Blumen aussenden um die Bienen anzulocken. Ja, wir schmeckten sogar den Honig auf unseren Zungen.
Die alte Weise hatte magische Kräfte, daran gab es kein Zweifel.
Sie war es, die uns das Wissen über unserer Erdenmutter näher brachte, die uns bewusst machte, dass wir ohne sie niemals am Leben wären.
Und so lauschten wir ihren Geschichten und vergaßen dabei die Kälte um uns herum, denn sie erzählte uns auch von einem Stern den wir Sonne nennen und der uns mit seinem Feuer wärmt, der mit seiner Energie alles wachsen lässt, sogar die menschlichen Knochen, der aber auch alles verbrennen kann, was wächst und der in der Nacht einen anderen Stern anstrahlt damit wir nicht im dunkeln sein müssen. Wir erfuhren von ihr, dass Tod und Leben beide einander brauchen, wie der Tag und die Nacht, Sommer und Winter und alles was wir als gegensätzlich bewerten. Sie sagte uns, dass beide Gegensätze im Gleichgewicht sein müssen, damit es überhaupt Leben geben kann.
Und so fühlten wir durch die Kälte die Wärme, wir sahen in den Flammen des Feuers den Schnee und das Eis schmilzen, wir hörten den Frühlingswind in den kahlen winterlichen Baumwipfeln säuseln und spürten die Milde des Windes der den Frühling bringt.
Wir hörten das Wasser im eiserstarrten Bach rauschen, wir lauschten dem Gesang der Vögel, wo wir Winterlieder und Sommerlieder vernahmen. Wir fühlten mit allen Sinnen das Leben unter uns, über uns und in uns. Es war wie Wellen die uns hinfort brachten um uns dann wieder zurückzuspülen, an den Strand, des immerwiederkehrenden Lebens.
Wir liebten diese kleine alte Frau, deren Augen funkelten und sprühten wie von Millionen Sternen, wir liebten ihre sanfte Stimme, die sich anhörte wie der Frühlingswind, wir liebten ihr zerfurchtes Gesicht, das der Erde glich, wenn sie gerade gepflügt war. Wir liebten ihr lachen das sich anhörte wie Glockenklang und wir liebten ihre Tränen, die glitzernd ihre Wangen hinabliefen.
Es war als würde sie unsere Mutter Erde verkörpern.
Ihre weisen Worte waren so uralt wie es die Erde selbst, ihr Gang war mal leicht wie der eines jungen Mädchens und dann wieder schwer wie der eines alten Menschen der schon so viel erlebt und gesehen hat, dass die Last die er trug immer schwerer zu werden schien.
Es war gut in ihrer Nähe zu sein, denn sie strahlte eine Herzenswärme aus die unvergleichlich war. Wir fühlten uns bei ihr beschützt und geborgen.
Sie war unsere Großmutter, unsere Ahnin, sie war jene die Geschichten lebendig werden lassen konnte.
Lange haben wir sie nun nicht mehr gesehen. Wir suchten sie, in den dunklen Höhlen, in den Wäldern, in den Bergen und zwischen den Dünen, aber wir fanden sie nicht.
Wir hörten davon, dass sie weit weg wäre, weil niemand mehr gekommen war um ihren Geschichten zu lauschen.
Aber wir hörten auch, dass sie wieder zurückkommt, wenn wir bereit sind, wieder ihre Magie zu fühlen und ihren Worten zu lauschen.
Das ist eine gute Nachricht und so setze ich mich jeden Tag hin und übe mich im lauschen und darin ihre Magie zu spüren. Denn ich wünsche mir aus vollem Herzen, dass sie uns wieder ihre Geschichten erzählt und uns mit ihrer Magie erfüllt.
©Jutta Velten
