Das Märchen vom König, der seine Untertanen zu Objekten machte

Es war einmal ein König, der lebte in einem schönen Land. Er hatte viele Untertanen die alles für ihn taten und so versorgte er sie gut. Keiner musste Not leiden. Alles in diesem Land schien perfekt und die Menschen glücklich, aber da gab es einen Schatten, der über diesem Land schwebte und den alle spürten, aber vehement ignorierten.

Auch wenn der König alle versorgte und sie alles hatten was sie sich wünschten, wurden immer mehr Menschen krank und sie schienen immer unglücklicher zu sein, wenn man näher hinschaute. Aber auch hier sorgte der König für seine Untertanen, denn er ließ eine Medizin herstellen, die jene Menschen einnehmen konnten, die immer unglücklicher wurden und deshalb auch krank.  Er scheute keine Kosten und sorgte für seine Untertanen, wie ein Vater.

Der Haken an der Sache war, dass er nur so lange seine Untertanen versorgte und ihnen alle Verantwortung abnahm, solange sie ihm gehorchten. Wenn er heute einen neuen Rock haben wollte, den es auf der ganzen Welt nicht gab, so mussten die Hofschneider einen nähen. Wenn er im Winter frische, sonnengereifte Erdbeeren wollte, mussten seine Köche ihm diese besorgen. Es war ihm gleichgültig, wie sie das taten und auch wieviel es kostete, Hauptsache war, dass man ihm seine Wünsche alle erfüllte.

In seinem Hofstaat lebte eine Magd, die ihn jeden Tag ankleiden musste. Sie arbeitete nun schon in zweiter Generation für den König und ihre Mutter, die schon gestorben war, hatte ihr beigebracht, immer dem König zu gehorchen, ganz egal was er verlangte, dann würde es ihr auch immer gut gehen.

Der König war ein launischer Mann, der ständig neue Wünsche hatte und wenn man diese nicht sofort erledigte, wurde er sehr böse und er ließ dann die bestrafen, die nicht sofort parierten.

Eines Morgens nun, rief der König die Magd zu sich, damit sie ihm beim Ankleiden half. Die Magd fühlte sich nicht gut, denn sie hatte ihre Monatsblutung und war deshalb sehr müde und ihr Unterleib schmerzte. Sie kam ein paar Minuten später als gewöhnlich in die königlichen Gemächer und wurde mit einem Zornesausbruch des Königs empfangen. „Was fällt dir ein mich so lange warten zu lassen?“ schrie er, als sie die Tür öffnete und sich verbeugte. „Es tut mir leid Herr König, aber ich bin krank.“ „Papperlapapp! Kranke gibt es nicht in meinem Land! Schließlich stelle ich euch die beste Medizin zur Verfügung, die es gibt. Wenn wir mit dem Ankleiden fertig sind, wirst du gehen und dir eine Medizin geben lassen!! “ befahl er. “ A…ber Majestät, es ist keine Krankheit, sondern eine natürliche Gegebenheit.“ sprach die Magd zaghaft

„Natürliche Gegebenheit?“ rief er entrüstet „Was ist denn das für ein Schwachsinn? Es gibt hier keine natürlichen Gegebenheiten! Alle funktionieren so, wie ich es befehle!“ schrie er sie an. Der Magd traten Tränen in die Augen und sie wäre am liebsten fortgelaufen, doch sie unterdrückte ihre Tränen und tat ihre Arbeit. Als der König angekleidet war, schickte er sie zum Arzt und befahl ihr die Medizin, die der Arzt ihr geben würde einzunehmen! Am Abend wolle er sie wieder pünktlich ohne ein Zipperlein sehen.

Die Magd lief in ihre Kammer und ließ ihren Tränen freien Lauf. Eine alte Kammerfrau, kam an ihrer Kammer vorbei und hörte wie die Magd weinte. Sie klopfte und ging hinein. Sie kannte die Magd schon von Kindesbeinen an und sie sorgte sich um sie wie eine Mutter. “ Was hast du denn mein Kind?“ fragte sie die weinende Magd und nahm sie in ihre Arme. „Ach, mir geht es gar nicht gut, mein Unterleib schmerzt und ich fühle mich müde und kraftlos, aber der König duldet das nicht!“ „Nein, der König duldet nicht, wenn einer von uns menschlich ist.“ sagte die Alte. „Was meinst du damit?“ fragte die Magd. „Tja, mein liebes Kind“, antwortete sie „der König benutzt die Menschen, wie seine Marionetten. Und wenn eine Marionette nicht das tut, was er befiehlt, oder nicht völlig normal funktioniert, kann er das nicht haben. Er befiehlt dann Medizin zu nehmen, damit alles wieder so läuft, wie er es möchte.“ „Ja, mich hat er auch geschickt Medizin zu holen.“ Die Kammerfrau sah die junge Magd eine Weile schweigend an und fragte dann: „Hast du Mut? Wärst du bereit etwas zu tun, das schon lange getan werden müsste?“ Die Magd wischte sich erstaunt die Tränen aus dem Gesicht und fragte: “ Was soll das sein?“ „Deine Monatsblutung ist völlig normal und es ist dein Recht als Frau, dich auszuruhen, wenn du sie hast. denn der Körper verlangt nach Ruhe! Deshalb wäre es sehr schlecht für dich, wenn du Medizin einnehmen würdest, nur damit du wieder nach des Königs Pfeife tanzt. Es haben schon so viele Frauen in diesem Land tun müssen, auch ich und es wird Zeit, dass wir dem König die Stirn bieten!“ „Warum hat das denn noch niemand getan und warum soll ausgerechnet ich das jetzt tun?“ „Weil du stark bist und es deine Berufung ist, endlich etwas zu verändern, einen Stein ins Rollen zu bringen!“  „Aber der König wird mich bestrafen!“ „Das wird er, aber du könntest vorher weglaufen bevor dich des Königs Häscher erwischen!“ Die Magd fragte:“ Aber wohin soll ich denn gehen, ich kenne doch niemanden!“ „Ich kenne eine Frau in einem anderen Land, die wird dich zu sich nehmen.“ sagte die Kammerfrau „Aber was soll sich denn dann hier für euch ändern, wenn ich weglaufe. Der König wird nach seinem Zorn sich eine andere Magd nehmen und es wird immer so weiter gehen!“ „Nein, denn die Frau zu der ich dich schicke, ist eine gute Freundin von mir, die auch einmal hier gelebt hat. Sie zog in ein anderes Land, weil sie von dort einen Mann kennenlernte und mit ihm leben wollte. Aber wir schreiben uns Briefe und so weiß sie, das der König sich immer noch nicht geändert hat und dass er die Menschen noch immer wie Objekte benutzt.“  Sie strich sich ihre grauen Haare aus dem Gesicht und erzählte weiter: „Diese Freundin nun, hat beschlossen, uns zu befreien, indem sie zu uns kommt und den Menschen, die wie leblose Puppen an den Fäden des Königs hängen, bewusst zu machen, was hier vor sich geht. Sie wollte aber erst kommen, wenn eine Frau endlich bereit wäre auszubrechen.“ „Warum tust du das denn nicht?“ fragte die Magd. „Ach, ich fühle mich zu alt, um zu kämpfen, aber ich werde euch helfen, wenn ihr beide wieder kommt!“ „Was? Ich soll wieder zurückkommen?“  fragte die Magd entsetzt?  Dann bestraft mich der König fürchterlich!“  „Nein, das wird er nicht tun, denn wenn du mit meiner Freundin kommst, werden dir alle Frauen helfen. Ich werde sie darauf vorbereiten.“ „Was ist mit den Männern?“ „Ach die Männer, mein Kind!“, sagte die Alte. „Die Männer brauchen immer jemanden der ihnen etwas befiehlt, das liegt in ihrer Natur. Deshalb werden die Männer nicht die Notwendigkeit erkennen, sich gegen den König aufzulehnen. Die wollen es weiter bequem haben“ „Aber, die Frauen wollen es doch auch bequem haben und die meisten nehmen die Medizin des Königs und funktionieren.  „Ja, das stimmt, aber ich werde versuchen, sie daran zu erinnern, wer sie sind! Wir brauchen keinen König!“ „Glaubst du den Menschen würde es immer noch so gut gehen, wenn der König verschwunden wäre?“ “ Zuerst wahrscheinlich nicht, denn die Verantwortung für sein eigenes Leben zu übernehmen, ist sehr hart, wenn man es nicht gewohnt ist. Aber ich denke, ein Leben indem jeder selbst bestimmt für wen und wann und wieviel er arbeitet, ist ein freies Leben und wird besser sein. Weißt du, die meisten bei uns wissen gar nicht, dass sie Leibeigene des Königs sind, sie glauben wirklich dass das so sein muss.“ „Ja, das stimmt und ich habe darüber auch schon nachgedacht.“ antwortete die Magd. „Deshalb schlage ich dir die Flucht vor, weil ich weiß, dass du das Bewusstsein hast, eine Veränderung ins rollen zu bringen.“ Die Magd dachte eine Weile nach und sagte dann:  „Ja, ich mache es. Aber ich muss mich beeilen, denn heute Abend wird der König mich zum entkleiden rufen!“ „Gut, packe du deine Sachen zusammen. Ich werde ein Pferd für dich auftreiben, mit dem du in das andere Land kommst. Außerdem werde ich dir einen Mann suchen, der dich begleitet und der den Weg kennt, weil er schon mal in dem anderen Land war.“ „Aber ist das nicht zu gefährlich? Was willst du ihm sagen?“ „Ich werde ihm sagen, dass du deine Tante in dem anderen Land besuchen darfst. “ „Also gut, dann geh du, ich packe in der Zwischenzeit meine Sachen,“

Nach einer Stunde, war alles organisiert und ein Begleiter mit zwei Pferden stand bereit. „Sprich nicht davon, was du wirklich vor hast. Ich habe einen Brief an meine Freundin abgeschickt, den ein Freund von mir auf schnellstem Wege zu ihr bringt, damit sie weiß, was geschehen ist und dich erwartet. In zwei Tagen seid ihr dort. „flüsterte sie der Magd ins Ohr

Dann verabschiedeten sie sich und brachen in Richtung Osten auf.

Zwei Tage später und ohne besondere Zwischenfälle, kamen sie in dem anderen Land bei der Freundin an, die die Magd als ihre Nichte empfing. Nachdem sie alleine waren, erzählte sie, dass sie wenige Stunden zuvor den Brief von der Kammerfrau erhalten hatte. Sie nahm die Magd freundlich auf und wollte dann die Geschichte der Magd hören. Diese erzählte, was sich vor zwei Tagen auf dem Schloß ereignet hatte und die Freundin, wurde sehr wütend. “ Diesem Lackaffen, muss dringend das Handwerk gelegt werden und das werden wir beide tun! Bist du dazu bereit?“ „Ja, aber wie sollen wir das tun?“  „Wir werden die Frauen wachrütteln und hoffen, dass sie auch geweckt werden wollen. Denn wenn die Frauen was verändern, dann ziehen die Männer langsam mit.“ Die nächsten Tage verbrachten die beiden damit einen Plan zu entwerfen.

In der Zwischenzeit, in dem Land des Königs, war ein leises Rumoren zu vernehmen. Es schien als würden die Frauen aufmüpfig in seinem Land. Nachdem er feststellen musste, dass seine Magd weggelaufen war, nahm er sich einen Diener, denn die Frauen wurden ihm plötzlich suspekt. „Was geht denn vor in meinem Reich?“ fragte er am nächsten Tag einen seiner tapfersten Ritter. “ Mein König es scheint, als wäre ein Aufruhr im Gange!“ „Das muss unterbunden werden. Ich ordne an, jedem die Medizin zu gebeb und wer sie nicht einnehmen will, der wird sofort gehängt.“  So wurden noch am gleichen Tag, die Kammerfrau und vier weitere Frauen gehängt, weil sie nicht mehr gehorchen wollten. Das brachte andere Frauen zum Nachdenken und obwohl sie brav ihre Medizin einnahmen oder jedenfalls so taten, regte sich auf einmal Widerstand bei ihnen.

Eine Woche später, kamen die Magd und die Freundin der Kammerfrau in die Stadt und erfuhren, was geschehen war. Die Magd und die Freundin waren schockiert, aber es spornte sie noch mehr an, endlich etwas zu tun. Sie verteilten Einladungen für ein Treffen am Abend in einem bekannten Wirtshaus. Hier gab es Dank der Arbeit der Kammerfrau nun einige Unterstützer sogar einige Männer waren dabei. Am Abend hielt die Freundin einen Vortrag über Freiheit und Selbstverantwortung und öffnete den Zuhörern die Augen, indem sie ihnen bewusst machte, dass der König sie alle als Marionetten missbrauchte, dass sie nur Objekte wären, die er herumschob, wie es ihm passte.

Jeden Abend war das Wirtshaus nun voll von Menschen, die hören wollten, was sie eigentlich wussten, es nur wegen der Bequemlichkeit verdrängt hatten.  Der König bekam davon zuerst nichts mit, denn die Menschen hatten sich abgesprochen, dass sie ihm eine Weile noch so dienen wollten, wie er es gewohnt war. Und nun erkannten sie plötzlich bei ihrer täglichen Arbeit, was der König mit ihnen machte und so wurden es immer mehr, die sich dagegen wehrten. Am Ende waren sogar die Soldaten des Königs nicht mehr bereit dem König zu dienen und sie stürzten ihn vom Thron und jagten ihn aus dem Land.

Heute gibt es in diesem Land keinen mehr der den Menschen sagt, wie sie leben sollen. Sie übernehmen die Verantwortung für ihr Leben und begegnen sich gegenseitig respektvoll und friedlich. Jedem wurde bewusst, dass sie keine Objekte waren, die sich herumschubsen ließen, sondern individuelle Subjekte, die Gefühle haben und die Schmerzen fühlen. Wenn nun jemand Schmerzen hat, schaut er warum und wo hier seine Verantwortung liegt und sieht zu, dass er etwas verändert. Frauen müssen während ihrer Monatsblutung nicht mehr arbeiten, da man erkannte, dass Frauen anders leben müssen wie Männer und so leben sie zufrieden und selbst bestimmt noch heute.

©Jutta Velten 2018

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