Das Leid hochsensibel zu sein, ist das Schlimmste, was einen treffen kann, da hilft auch nicht, dass man äußerst begabt ist. Als Hochsensible, kann ich nicht da wohnen, wo andere wohnen, da ich den Lärm, die Geruchsbelästigung (bei mir kommt da noch ein Trauma dazu) und die unterschwelligen Beleidigungen ertragen muss, ohne dass es einer versteht. Mich stört das Radio und der Fernseher, so wie jeglicher unnatürlicher Lärm, ich fühle mich durch den Rauch und Geruch von Grill, Alkohol und Zigaretten belästigt. Auch reagiere ich ziemlich heftig, wenn ich sehe, wie die Leute unsere Erde traktieren. Das mag sich für manche seltsam anhören, aber es ist als würde man mir Schmerzen zufügen, wenn ich sehe, dass die Erde ständig aufgerissen und sie „nackt“ gelassen wird, wie in Gärten, wo in den Blumenbeeten das „Unkraut“ herausgeharkt wird, damit ja ihre gezüchteten Stiefmütterchen und was sonst noch, nicht von Wildkräutern „belästigt“ werden. Außerdem wird der Rasen ständig gemäht, damit er „hygienisch sauber“ ist. Löwenzahn, der für die Bienen im Frühjahr so wichtig wäre, darf nicht wachsen.. In meiner Nachbarschaft sehen die Gärten aus, wie im „Freien liegende Wohnzimmer“, voll bestückt mit Nippes und Beete die einem Grab gleichen. Es ist für mich kaum zu ertragen, ich versuche es zu ignorieren, aber das kann ich kaum.
Schon seit Jahren weiß ich, dass ich irgendwo, weit außerhalb ohne Nachbarn leben will/muss, da dort das Risiko mit den oben aufgezählten Dingen konfrontiert zu werden am geringsten sind. Wie oft bin ich deshalb schon umgezogen, da immer im Sommer der ganze Dauerstress beginnt, weil meine Mitmenschen sich nicht vorstellen können, wie es ist hoch sensibel zu sein. Es ist der reinste Horror! Gerade jetzt, wo es warm wird, geht es schon wieder los. Ich habe meinen Nachbarn (wohnt mit im Haus) erklärt (vorsichtshalber, da er einen dicken, fetten Barbecue Grill aufgestellt hat), dass ich den Geruch von ihrem Grill nicht riechen kann und dass es diesbezüglich auch eine Regelung gibt : das wäre ihm egal. Außerdem würde ich ja so und so immer in meiner Wohnung sein und da könnte ich ja die Fenster zu machen. Er sei ja normal, wie alle anderen (das in meinen Ohren klingt wie: ich wäre nicht ganz dicht) Ich fühle mich ziemlich allein gelassen und ohnmächtig. Letztes Jahr hatte ich seiner Lebensgefährtin schon gesagt, dass ich den Zigarettenrauch nicht riechen kann und gebeten mit ihr Zeiten zu vereinbaren, aber da kam nichts, es wird einfach ignoriert und weiter gequalmt. Im Winter ging das ja, aber jetzt wird das erneut zu einem Problem.
Ich habe es satt mich ständig dafür rechtfertigen zu müssen, wie ich bin ( das muss ich, da die sonst erst recht nichts begreifen). Und wieder bin ich an einem Punkt angelangt, wo ich nur noch weg möchte. Irgendwohin, wo ich meinen Frieden finde und nicht ständig mit solchen empathielosen Menschen konfrontiert werde, die nicht fähig sind, andere Menschen mit ihren „Schwächen“ zu respektieren. Da ist es fast leichter körperlich behindert zu sein, das sieht man wenigstens und andere nehmen Rücksicht.
Ich vergleiche die Hochsensibilität immer mit einem Neugeborenen. Auch diese armen Kinder, schreien oft und bekommen dann das „Maul gestopft“, weil sie den Lärm, das Licht und die verschiedenen Gerüche, von denen sie instinktiv wissen, dass sie nicht gut für sie sind, belästigt. Die Eltern wissen darüber nichts und das natürliche Gespür, was für ihr Kind gut ist und was nicht ist ihnen abhanden gekommen. Mit der Industrialisierung haben die meisten Menschen ihre natürlichen Instinkte abgelegt und die Leid tragenden sind die Kinder und die Hochsensiblen. Wie wir ja immer mehr erfahren, sind Menschen mit Behinderung, mit Traumata, Senioren und Kinder die sich noch nicht angepasst und resigniert haben, nicht erwünscht und sollen am besten von der Bildfläche verschwinden. Denn die kann man nicht als Arbeitssklaven ausbeuten!
Psychotherapeuten erklären einem und manche Bücher wurden auch schon darüber verfasst , dass man mit irgendwelchen Tricks und Strategien fast gewöhnlich unter den anderen Menschen leben könne. Bei mir wirken diese Tricks und Strategien überhaupt nicht.
Also suche ich mir jetzt wieder einen neuen Platz und diesmal muss er so abgelegen sein und ohne Nachbarn, dass ich dort leben kann. Ich werde keine Kompromisse mehr machen und wenn ich in den Urwald gehen muss.
©Jutta Velten